Skidurchquerung "Kaiser-Express" - 40 Kilometer, 5300 Höhenmeter


Normalerweise machen sie richtig Speed, wenn sie auf Tour sind. Der Rosenheimer DAV-Athlet Josef Rottmoser (22) ist einer der weltbesten Skibergsteiger und hat Anfang Februar bei der Europameisterschaft in Pelvoux in den französischen Alpen den Titel im Sprint-Wettbewerb geholt. Der 18jährige Toni Palzer aus Berchtesgaden ist mehrfacher Jugend- und Juniorenweltmeister im Skibergsteigen und das wohl größte Nachwuchstalent in dieser anspruchsvollen Alpinsportvariante. Logisch, dass die Beiden, wenn sie mal kein Rennen haben, nicht mal nur gemütlich eine Skitour gehen, sie brauchen schon immer eine besondere sportliche Herausforderung. Sie trafen sich im Frühjahr 2012 mit zwei weiteren Freunden, um ein paar Höhenmeter im Kaiser zu machen. Seppi Rottmoser berichtet von ihrer "Kaiser-Express"-Tour:

Endlich mal ein Wochenende rennfrei, das Wetter soll auch super werden. Freitagnachmittag. Das Telefon leutet und Toni fragt mich, was ich geplant habe. Eigentlich würde uns das 'Diabolorace' am Golm (Tschagguns/ A) gefallen, doch die Anreise bei bestem Wetter über den Arlberg wollen wir uns dann doch nicht antun. Wir überlegen ein wenig hin und her. Dann hat Toni die Idee mit dem 'Kaiser-Express'. Die Verhältnisse müssten passen, Lawinenwarnstufe 2, Schnee dürfte es auch genug haben.
Wir treffen uns am Samstagfrüh um sechs Uhr bei der Aschinger Alm auf der Nordseite des Zahmen Kaisers. Toni hat noch einen talentierten Spezl, Xaver Boigs, mitgebracht, ich noch den Deutschen Jugendmeister Cornelius Unger. Toni macht Druck und drängt zum Aufbruch: "Ja guat, dann pack' mas, wärmer wird's nicht!" Der erste Anstieg beginnt mit einer flachen Forststraße, die wir nach ca. 25 Minuten verlassen und ins Gelände queren. Von nun an steilt das 'Eggers-Grinn' Kar auf, anfangs noch in Spitzkehren, zum Schluss raus wird's bis ca 40° steil, so dass wir unsere Ski auf den Rucksack befestigen und die letzten 100 Meter zu Fuß bewältigen. "Die ersten 1000 Höhenmeter haben wir, so kann's weitergehn", lacht Cornelius. 

Mit den ersten Sonnenstrahlen lassen wir es Richtung Hinterbärenbad 1200 Höhenmeter hinunterkrachen. Oben ist es noch pulvrig, aber schon nach paar Schwüngen erwartet uns Bruchharsch, später ein tragender Harschdeckel. Unten angekommen heißt es Auffellen, vorbei am Anton Karg- und Hans Berger-Haus, weiter Richtung 'Scharlinger Böden' über ein breites Kar mit ca. 30 Zentimeter Pulver. Ein Traum zum Abfahren, jedoch müssen wir die ganzen 1300 Höhenmeter hinauf einspuren. Den ersten Teil übernehme ich, danach löst mich Toni ab und schon bald erreichen wir die 'Rote Rinn Scharte', wo uns erste Skibergsteiger entgegenkommen, die den 'Kaiserexpress light' machen (ca. 2300 Höhenmeter). Nach einer kurzen Rast geht es die 'Rote Rinn' hinunter. Traumhafter Pulver und endlich eine sonnige Abfahrt über gut 1000 Höhenmeter. Welch ein Genuss! Dann das Kübelkar: Der Großteil des dritten Anstiegs ist schon zweispurig ausgetreten und wir beginnen mit der Aufholjagd. An solchen Tagen sind wahrscheinlich 300 Skialpinisten auf der Paradetour anzutreffen. Wir queren jedoch auf halber Höhe in die Goinger Scharte. Eine kurze Kletterstelle, danach noch 120 Höhenmeter Tragepassage bis zu 45° und wir stehen auf dem Scheitelpunkt. "Also meine Haxn würd ich schon spüren' meint Xaver. "Des gäd scho no, mir homs ja glei", antwortet Toni Palzer aumunternd. Naja, noch haben wir zwei Anstiege vor uns.

Die Abfahrt über das Griesner Kar übertrifft alle Erwartungen. Noch keine 15 Spuren in dem breiten Kar und 30 Zentimeter feinster Pulverschnee zur Griesner Alm. Am Bach füllen wir unsere Trinkflaschen auf, essen noch paar Riegel, dann geht es weiter in Richtung Stripsenjochhaus. Auf der Hausbank rasten wir noch einmal, stärken uns mit Riegel und Gels. Hinunter ins Kaiserbachtal erwartet uns überraschenderweise eine exzellente Abfahrt, die sich spielerisch durch schmale Rinnen und lichte Wälder zieht. Der letzte Anstieg, die letzten 1200 Höhenmeter auf die Pyramidenspitze wartet, dann sind die 5000 voll. "Des werd nochmal eine Schinderei", denk ich mir. 

Toni und ich gehen voran und die ersten 600 Höhenmeter vergehen relativ zügig. Wir essen unsere letzten Vorräte auf. Es zweigt eine Spur ab, aber wir entscheiden uns, auf der jetzigen zu bleiben. Nun geht es immer zäher Richtung Gipfel. Nach  weiteren 300 Höhenmetern merken wir, dass wir uns die falsche Spur ausgesucht haben und müssen wieder 300 Meter abfahren. "Hilft ja nix", so Xaver lapidar. Demotiviert ziehen wir unsere Felle ab und fahren schnell hinunter. Auf den letzten 600 Metern spüren wir, wie leer wir sind und jeder von uns wünscht sich nur noch etwas Ordentliches zum Essen: Ein Apfelstrudel oder eine richtige Brotzeit samt Radler wäre jetzt was. Die letzten Höhenmeter, dann stehen wir endlich auf dem Gipfel der Pyramidenspitze. Überglücklich fallen wir uns in die Arme, genießen die Fernsicht und alle Schmerzen sind vergessen...  Umziehen, über das 'Eggers Grinn' hinab und nach zehn Stunden, einer Distanz von 40 Kilometern und 5300 Höhenmetern geht ein wunderbarer, etwas anderer Trainingstag zu Ende!