Mikaela Shiffrin: Zwischen Heimweh und Hochgefühl

Sie ist das neue Siegergesicht im Ski-Weltcup und gilt als beste Slalomfahrerin der Welt. Dabei ist Mikaela Shiffrin aus Vail/Colorado erst 19 Jahre alt. Bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi und den Weltmeisterschaften 2013 in Schladming gewann sie Slalom-Gold. Ihre nächste große Herausforderung ist die FIS Alpine Ski-WM, die von 2. bis 15. Februar 2015 in ihrer Heimat ausgetragen wird. 

Wie war Ihr Sommer? Konnten Sie gut trainieren?

Ich habe viel Fußball und Tennis gespielt, das ist ein tolles Reaktionstraining. Für Ausdauer und Kondition war ich oft im Studio, beim Wandern oder Biken. Vail ist ja auch im Sommer ein großartiger Ort für Aktive. Ich bereite mich hier täglich fünf bis sechs Stunden mit einem umfassenden Programm auf die neue Saison vor. Für meine innere Balance jogge ich oft auf meinem Lieblingsweg – er führt unter Bäumen an einem Fluss entlang.

Beste Voraussetzungen also, um den Slalom-Titel bei den Weltmeisterschaften 2015 in Ihrer Heimat zu verteidigen? 

Das werde ich versuchen, klar. Aber hauptsächlich möchte ich meine Heimat mit guten Leistungen repräsentieren. 

Was bedeutet Heimat für Sie?

Zeit mit meiner Familie. Wir treffen uns immer, wenn ich in Vail bin.

Gibt es dort einen magischen Ort für Sie?

Das „Eagle´s Nest“, ein Restaurant auf dem Vail Mountain mit Blick auf die umliegenden Berggipfel. Ich denke dort immer, ich hätte die ganze Welt im Blick.

Auf welcher Piste trainieren Sie am Vail Mountain am liebsten?

Auf der „Black Forest Race Arena“. Das war der erste Hang, auf dem ich als Kind durch Stangen gefahren bin. Er hat einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen.

Hatten Sie eine schöne Jugend?

Meine Eltern haben verrückte Dinge mit mir unternommen, vom Windsurfen auf Hawaii bis zum Dirt Biking. Außerdem haben wir gemeinsam die halbe Welt bereist.

Konnten Sie Ihre Jugend überhaupt genießen – Sie waren bereits mit 16 Jahren im Weltcup?

So viel und oft ich wollte! Kino, essen gehen mit Freunden, alles war möglich. 

Und heute?

Ist das nicht anders. Allerdings verbringe ich auch gerne einen ruhigen Abend allein oder daheim mit meiner Familie. Mir ist es sehr wichtig, Zeit für mich zu haben. Mein Leben ist anstrengend und aufregend genug. 

Sie sind etwa 250 Tage im Jahr unterwegs, quält Sie oft Heimweh?

Bei den Olympischen Spielen in Sotschi war es extrem, das gebe ich zu. Ich habe meine Eltern zufällig im Fernsehen gesehen, als sie in den USA zu meinem Sieg interviewt wurden. Ich habe mich gefreut, ihre Aufregung und Begeisterung zu sehen, gleichzeitig ist mir aber auch bewusst geworden, wie weit sie gerade weg waren. So gerne hätte ich diesen Moment gemeinsam mit ihnen erlebt und gefeiert. 

Haben Sie etwas dagegen unternommen?

Ich habe ein Ritual: Wenn ich Heimweh habe, denke ich daran, wie schön es ist, ganz allein auf dem Berg zu stehen. Das ist für mich der friedlichste Ort der Welt. Dort oben spielen sich keine Dramen ab, es gibt nur mich und meine Ski, die mich hinunter ins Tal tragen. 

Müssen Spitzensportler Schauspieler sein?

Es ist wichtig, der Welt zu zeigen, dass man tough ist. Wir Sportler müssen die richtige Mischung finden, unsere Gefühle zu verbergen oder sie zu zeigen.

Gibt es zwischen Ski-Rennfahrerinnen Freundschaften oder Zickenkrieg?

Meine größten Konkurrentinnen sind meine besten Freundinnen. Auf unserem Level schätzen wir uns alle gegenseitig.

Was bedeutet „gewinnen“ für Sie?

Das ist für mich wie eine Sucht. Seit ich zum ersten Mal auf dem Siegerpodest gestanden bin, will ich dieses Hochgefühl immer wieder erleben. Doch es ist nur mit harter Arbeit zu schaffen, das ist die einzige Chance.

Interview: Yvonne Sieber und Gregor Staltmaier, mehr Infos zu Vail unter www.vailbeavercreek2015.com; mehr zu Mikaela Shiffrin unter http://alpine.usskiteam.com/athletes/mikaela-shiffrin