Eine echte Sportikone - Der Raublinger Bertl Rahm blickt mit 96 Jahren auf ein ereignisreiches Leben zurück

Der Raublinger Bertl Rahm (96)
Steil und eng führt die Holztreppe hinauf in den zweiten Stock des Wohnhauses mitten im oberbayerischen Raubling im Landkreis Rosenheim. Wie schafft man das mit 96 Jahren hier rauf und runter ohne Aufzug? „Das geht schon“, meint Rupert Rahm, den alle in Raubling „Bertl“ nennen. „Bewegung ist wichtig und die Treppe deshalb wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich doch noch relativ mobil bin“, meint der Raublinger. Auch geistig zeigt er sich nach wie vor als eloquenter, sehr interessierter Gesprächspartner, vor allem, wenn es um das tägliche Geschehen im Sport und um seine geliebten Berge geht. Kein Skirennen, keine Bergsendung, kein Fußballspiel und kein Tennismatch, das er nicht im Fernsehen verfolgt. Der Sport hat schon immer einen sehr großen Teil seines langen und ereignisreichen Lebens bestimmt und ihn auch durch schwere Zeiten getragen

Sportives Multitalent und Autodidakt
Geboren in Kirchdorf bei Haag, kam er als Vierjähriger nach Raubling, wo seine Eltern ein Milchgeschäft übernahmen. Mit seinem vielseitigen Bewegungstalent fand der großgewachsene Junge schnell im TuS Raubling eine zweite Heimat. Seit 85 Jahren ist er jetzt Mitglied im dortigen Verein. Zuerst war er bei den Leichtathleten, wo er als Hochspringer und Stabhochspringer auch überregional auf sich aufmerksam machte, später nach dem Krieg bei den Fußballern, wo er als damaliger „Läufer“ im Mittelfeld in der legendären Amateurliga-Mannschaft des TuS Raubling entscheidenden Anteil am Erfolg der Mannschaft in der damals höchsten Amateurspielklasse hatte. Nach der Fußballkarriere dann als begeisterter Tennisspieler in der Tennisabteilung im TuS, wo er nicht nur durch seine ästhetische Spielweise auffiel, sondern sich auch viele Jahre als Sport- und Platzwart engagierte. 

  
Bertl Rahm mit der legendären Amateurmannschaft des TuS Raubling

Leidenschaftlicher Skifahrer und Kletterer
Seine große Liebe gehörte aber immer den Bergen, in denen sich der sportliche Autodidakt so oft wie möglich kletternd oder auf Ski aufhielt. Was damals meist so aussah: Raus aus der Arbeit, rauf auf’s Radl, hinein nach Tirol und hinauf zum Stripsenjochhaus, wo er mit seinen Inntaler Freunden wie Herbert Konrad und Ludwig Joas im Wilden Kaiser mit genagelten Schuhen und Hanfseilen die schwierigsten Routen kletterte. Oder er ist im Winter jede freie Minute zum Skifahren auf den Wendelstein, in die Kitzbüheler Berge oder wie später mit seiner zweiten Frau Irene gerne auch weiter weg. Zum 70sten hat ihm seine Frau den Traum vom Skifahren im kanadischen Banff und Lake Louis erfüllt. 
Bertl Rahm mit seinem Freund Herbert Konrad (weißer Anorak) am Matterhorn und am Großglockner



44 Jahre Mitarbeiter der PWA 
Die Berge hielt er fest in seinen Bildern. Schon in jungen Jahren hatte er, der so gut wie jeden Gipfel in den Alpen kennt und auf sehr vielen von ihnen war, immer eine Kamera dabei. Und sie hielten ihn in schweren Zeiten, die so ein langes Leben mit sich bringt. Nach der Schule begann er mit 14 eine Ausbildung zum Schlosser in der damaligen Papierfabrik in Redenfelden, bevor er mit 17 als Soldat eingezogen wurde und weit hinein ins russische Reich musste. „Was ich nie vergessen werde, ist der ständige unerträgliche Hunger, den wir hatten“, erzählt Rahm. 

Er erlitt im Krieg zwei schwere Schussverletzungen, eine davon kostete ihn fast seine ganze Sehkraft auf einem Auge. Im Nachhinein bewahrten sie ihn aber vor Schlimmeren, sagt er. „Ich war zum Kriegsende in der Genesungskompanie und geriet dadurch nicht in russische Gefangenschaft“, erzählt Rahm, der nach eigener Aussage immer eher ein unpolitischer Mensch war. „Der Krieg war damals eine Verpflichtung, der man nicht auskonnte“. 

Nach dem Krieg konnte er in der PWA weiterarbeiten, wo er sich zum Industriemeister fortbildete und später zum Betriebsleiter des Kraftwerks aufstieg, bevor er nach 44 Jahren Firmenzugehörigkeit mit 60 in den Ruhestand ging. Im Berufsleben war er wie im Sport nach Aussage früherer Mitarbeiter als Chef ein echter „Teamplayer“, der in seiner ruhigen, besonnenen, aber durchaus sehr zielgerichteten Art bei allen beliebt und geschätzt war. 

Mit den Bergen im Herzen durch Krisenzeiten 
In den Bergen fand er die Ruhe, die er beizeiten brauchte und er konnte dort nach schweren Schicksalsschlägen immer Kraft tanken, sagt er. Seine erste Frau starb ebenso viel zu früh an Krebs wie einige Jahre später auch seine Schwester und seine einzige Tochter. Umso glücklicher war er, dass er mit seiner zweiten Frau Irene wieder eine Partnerin fand, die seine große Berg- und Sportleidenschaft mit ihm teilte und die sie beide bis vor kurzem noch intensiv leben konnten. Denn erst vor gut sechs Jahren mit Anfang 90 musste Bertl Rahm seine geliebten Ski endgültig in die Ecke stellen und auch mit dem Radfahren ist es jetzt vorbei. Aber noch schafft er die Treppe hinunter, so dass zumindest einer Spazierfahrt der Beiden in die geliebten Berge nichts im Wege steht. Petra Rapp

Bertl Rahm hatte schon in jungen Jahren immer eine Kamera am Berg dabei.

Bertl Rahm in der Fleischbank Ostwand. Mit dem Radl von Raubling in den Kaiser.

Alle Fotos: Petra Rapp