St. Anton am Arlberg: „Der Wintersport kann nicht Sündenbock der Pandemie sein“

Foto Petra Rapp
Am 17. Dezember 2020 ist geplant, die Skisaison in St. Anton am Arlberg/Tirol zu beginnen. Internationale Politiker schießen scharf gegen die Pläne, an einem Wintertourismus vor dem Jahreswechsel festzuhalten. „Undifferenzierte Schuldzuweisungen können nicht die Lösung sein“, findet Martin Ebster, Tourismusdirektor von St. Anton am Arlberg. Im Interview mit Tom Carlos Kupfer spricht Ebster über vermeidbare Infektionsrisiken sowie über die Schwierigkeiten, die der öffentlich ausgetragene Diskurs mit sich bringt.

Herr Ebster, kann das Skigebiet von St. Anton am Arlberg am 17. Dezember für Gäste öffnen? 
Martin Ebster: Von uns aus kann es das. Unsere Sicherheitsmaßnahmen wurden von langer Hand und in enger Zusammenarbeit mit Experten geplant. Wir haben unzählige Maßnahmen in allen Bereichen umgesetzt, darunter Konzepte für Skischulen, Bergbahnen, den öffentlichen Verkehr oder die Gastronomie, wo ein spezielles Contact-Tracing-Modell mit QR-Code-Technik entwickelt wurde. Letztendlich sind wir aber nicht diejenigen, die über eine Öffnung entscheiden. 

St. Antons Tourismuschef Martin Ebster
Könnten Sie eine europaweite Verschiebung des Wintertourismus nachvollziehen, wie es bereits aus Frankreich und Italien zu hören ist?
 
Der Start einer Skisaison hängt primär von lokalen Corona-Fallzahlen ab. Wenn die österreichische Regierung daraus folgernd eine Entscheidung trifft, dann setzen wir selbstverständlich alle erforderlichen Maßnahmen um. Was ich nicht gutheißen kann, ist die aggressive Politik, mit der derzeit vor allem österreichische Skigebiete als Sündenböcke der Pandemie dargestellt werden. Mit erhobenem Zeigefinger kommen wir nicht weiter. 

Halten Sie die Kritik aus den Nachbarstaaten für ungerechtfertigt? 
Absolut. Wir sind uns im Klaren, dass die Behörden vorrangig nach gesundheitlichen Aspekten entscheiden. Alle Wirtschaftsbetriebe stehen trotz ausgefeilter Sicherheitskonzepte hinten an und werden jegliche Regulierungen umsetzen. Lautstarke Forderungen aus umliegenden Ländern klingen da fast zynisch. Im Sommer hat auch kein Außenstehender die Schließung von Stränden oder der U-Bahn-Stationen in Großstädten gefordert, obwohl dort teils unkontrollierte Frequentierung herrschte. Wichtig ist jetzt, dass die Konzepte vor Ort greifen und wir uns nicht gegenseitig zu Feindbildern aufbauen, während wir alle dasselbe Ziel verfolgen. 

Wie stehen Sie den Vorwürfen gegenüber, Wintertourismus vor dem Weihnachtsfest sei unverantwortlich? 
Ich kann für meine Kollegen aus anderen Alpenregionen sprechen, wenn ich sage: Die Gesundheit der Menschen – unserer Einheimischen, Gäste und der vielen Mitarbeiter – steht an erster Stelle. Die mediale Anschuldigung, österreichische Skigebiete hätten aus dem Frühjahr nichts gelernt, ist für uns ungeheuerlich. Seit März wurden wir nahezu täglich mit Fragen zu Sicherheitsmaßnahmen für den kommenden Winter konfrontiert. Wir haben hohe Anstrengungen unternommen, schnellstmöglich wirkungsvolle Konzepte zu entwickeln und diese maximal transparent zu kommunizieren. Und jetzt heißt es: „Wie kommt Ihr auf die Idee, Euer Skigebiet zu öffnen?“ Das kann ich nicht nachvollziehen. 

Wie schätzen Sie das Infektionsrisiko in Gondeln ein? 
Schon während des ganzen Sommers sind in Tirol Hunderttausende Menschen mit Gondeln transportiert worden. Es ist erwiesen, dass das Tragen von Masken sowie ein gut gelüfteter Raum ein niedriges Infektionsrisiko zur Folge haben. Die Fenster der Gondeln werden daher zum Beispiel durchgehend geöffnet sein. Natürlich gilt Maskenpflicht in und um die Bergbahnbetriebe. Außerdem sollte bei der Fahrt nicht viel gesprochen werden, um Aerosolausstöße so gering wie nötig zu halten. 

Wie kann ein Skiort kontrollieren, dass es in und vor den Bergbahnen nicht zu eng wird? 
Die Arlberger Bergbahnen AG hat eigens Personal dafür angestellt, das ausschließlich auf das Einhalten der Abstandsregelungen achtet. Nach dem Drehkreuz zum Lift wird es naturgemäß enger, weil nicht immer eine Gondel mit ausreichend Platz bereitsteht. Auch dort wird man Anweisungen hören und Kontrollen durchführen, um den Mindestabstand einzuhalten. 

Denken Sie, die Touristen werden sich mit den Abstandsregelungen arrangieren? 
Ja. Gerade, weil sie die Freiheit der Berge dauerhaft genießen wollen, werden sie sich an die Regelungen halten. Wir appellieren wo es geht an die Vernunft, am Beispiel der Gondel bedeutet das: vorne nicht in die Kabine drängen, beim etwas längeren Anstehen Verständnis zeigen. Die Gäste werden sich dabei in einem gewissen Zwiespalt wiederfinden. Einerseits möchten sie schnell hoch auf den Berg kommen, andererseits eine mögliche Ansteckungsgefahr minimieren. Da ist Eigenverantwortlichkeit gefragt. Ein Sicherheitskonzept kann nur funktionieren, wenn sich alle daran halten. 

Ist Après-Ski diesen Winter ein Thema in St. Anton am Arlberg? 
Nein, Après-Ski wird es in der gewohnten Form nicht geben. Alle Betreiber von Lokalen haben Konzepte auf Basis der behördlichen Vorgaben entwickelt: Zum Beispiel werden Speisen und Getränke nur im Sitzen serviert, das Platzangebot ist beschränkt, zwischen Besuchergruppen muss mindestens ein Meter Abstand gehalten werden, die Musik bleibt auf einem niedrigen Lautstärkeniveau.

Tagesaktuelle Informationen zu den lokalen Covid-19-Maßnahmen und Regelungen in St. Anton am Arlberg gibt es unter www.stantonamarlberg.com